Belohnungsaufschub: Wie bringt man Impulskontrolle bei?

Belohnungen aufzuschieben ist eine nützliche Fähigkeit, die Kindern langfristig Erfolge im persönlichen, gesellschaftlichen und schulischen Bereich ermöglicht. Erfahre mehr darüber in diesem Artikel!
Belohnungsaufschub: Wie bringt man Impulskontrolle bei?
Elena Sanz Martín

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz Martín.

Letzte Aktualisierung: 11. Juli 2023

Kinder sind spontan, energiegeladen und impulsiv. Sie handeln häufig ungefiltert und haben Schwierigkeiten, abzuwarten und ihr Verhalten vorher zu planen. Diese Tendenz, sich von seinen plötzlichen Wünschen mitreißen zu lassen, ist jedoch nicht immer die beste Option. Sie kann sich negativ auf die schulischen Leistungen, die sozialen Beziehungen und sogar das Selbstwertgefühl auswirken. Deshalb ist es wichtig, Kindern dabei zu helfen, Belohnungsaufschub zu entwickeln.

Dieses Konzept beschreibt die Fähigkeit, unmittelbare Freude zugunsten einer größeren Belohnung oder eines Vorteils in der Zukunft aufzuschieben. Wir alle wenden es jeden Tag an. Zum Beispiel, wenn wir uns entscheiden, zur Arbeit zu gehen, obwohl wir lieber zu Hause bleiben würden, oder wenn wir unseren Impuls, jemanden anzuschreien, kontrollieren, um die Beziehung nicht zu beschädigen. Für Kinder sind diese Entscheidungen schwieriger zu treffen. Aber wir können ihnen beibringen, wie es geht.

Belohnungsaufschub hängt vom Reifegrad des Kindes ab

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass diese Fähigkeit nicht angeboren ist. Von Natur aus neigen jüngere Kinder dazu, ihren Impulsen zu folgen und sofortige Befriedigung zu suchen, sodass sie dieses Verhalten (noch) nicht unterdrücken können. Für Kinder unter fünf Jahren ist das sogar richtig kompliziert.

Diese Schwierigkeit hängt mit der Gehirnentwicklung und der kognitiven und emotionalen Reife der Kinder zusammen. Aufgaben wie Planung, Zielvorhersagen und Impulskontrolle hängen von einem Gehirnbereich ab, der als präfrontaler Kortex bekannt ist und sich erst nach der Pubertät fertig entwickelt.

Vor diesem Hintergrund können wir nicht erwarten, dass Kinder wie Erwachsene handeln und sich wie erwartet verhalten. Eltern und Erzieher/innen müssen flexibel sein und die Funktionsweise ihres Gehirns verstehen. Sie sollten sie jedoch anleiten, diese Fähigkeit durch Training zu verbessern.

Belohnungsaufschub: Wie bringt man Kindern bei, ihre Impulse zu kontrollieren?
In einem frühen Alter ist es schwierig, Entscheidungen zu treffen, die einen Aufschub von Vergnügen oder Impulsen erfordern. Sei deshalb flexibel mit deinen Kindern, aber leite sie an, den Aufschub der Befriedigung zu trainieren.

Warum ist es wichtig, diese Fähigkeit zu trainieren?

Auch wenn es unwichtig erscheinen mag, kann der Aufschub der Befriedigung einen großen Einfluss auf das Leben deines Kindes haben, sowohl kurz- als auch langfristig. Das hat der Psychologe Walter Mischel in seinem berühmtesten Experiment zu diesem Thema gezeigt. Darin wurden mehrere Vorschulkinder vor eine Leckerei gesetzt. Man teilte ihnen mit, dass die anleitende Person den Raum verlassen würde. Wenn die Kinder bei ihrer Rückkehr die Süßigkeit noch nicht aufgegessen hatten, bekämen sie zur Belohnung eine weitere.

Die Reaktionen der Kinder fielen sehr unterschiedlich aus. Einige von ihnen dachten gar nicht darüber nach und verschlangen die Süßigkeiten sofort. Andere versuchten, durchzuhalten, konnten aber der Versuchung nicht widerstehen. Eine dritte Gruppe schaffte es, zu warten und ihren Wunsch nach der versprochenen Belohnung aufzuschieben. Dazu wendeten sie alle möglichen Strategien an, wie z. B. sich auf die Hände zu setzen oder sich von der Süßigkeit wegzubewegen.

Dieses Experiment zeigte zum einen, dass jüngere Kinder größere Schwierigkeiten mit dem Warten hatten als reifere Kinder. Andererseits stellten die Forscher:innen fest, dass diejenigen, die besser warten konnten, Jahre später ein höheres Selbstwertgefühl, bessere soziale Beziehungen und größere schulische und berufliche Erfolge hatten.

Bringe deinem Kind bei, die Belohnung hinauszuzögern

Die Fähigkeit, die Belohnung hinauszuzögern, ist entscheidend für das Setzen langfristiger Ziele, das Leben in der Gesellschaft und die Kontrolle über Gedanken, Gefühle und Verhalten. Alle Kinder verbessern ihre Impulskontrolle, wenn sie älter werden. Wenn sie jedoch nicht angemessen angeregt und angeleitet werden, können die Fortschritte begrenzt sein.

Wenn du deinem Kind helfen willst, diese wichtige Fähigkeit zu entwickeln und anzuwenden, findest du hier einige Tipps und Richtlinien, die du anwenden kannst:

  • Hilf deinem Kind, den langfristigen Nutzen im Auge zu behalten. Bevor Kinder handeln oder eine Entscheidung treffen, ist es wichtig, dass sie die Vor- und Nachteile abwägen und sich fragen, was sie durch eine bestimmte Handlung gewinnen oder verlieren können. Das ist ein Schritt, den Kinder normalerweise überspringen, aber wir können sie daran gewöhnen, zu denken, bevor sie handeln, wenn wir sie von klein auf dabei begleiten.
  • Ablenkungstechniken können nützlich sein, um die Befriedigung hinauszuzögern, denn sie ermöglichen es den Kleinen, ihre Aufmerksamkeit nicht auf das zu richten, was sie unbedingt wollen. Bringe deinem Kind bei, den Fokus auf andere Menschen, Objekte oder Aktivitäten zu lenken, die es ihm ermöglichen, sich abzulenken und nicht in das zu verfallen, was es vermeiden will.
  • Auch die Kontrolle der Umgebung ist wichtig. Es ist einfacher, Versuchungen zu vermeiden, wenn wir sie nicht ständig sehen. Wenn du zum Beispiel das Handy während des Lernens aus dem Zimmer nimmst, werden Kinder nicht in Versuchung kommen, es ständig in die Hand zu nehmen und damit Zeit zu vertrödeln.
  • Emotionen zu regulieren ist eine große Hilfe, denn so wird dein Kind nicht seinen Impulsen und Gefühlen “zum Opfer fallen”. Wenn es sich zum Beispiel wütend fühlt, kann es einige einfache Atemübungen machen, bevor es ausrastet.
  • Du kannst auch Selbstmotivation lehren, um Kindern das Warten zu erleichtern. Wenn sie die endgültige Belohnung häufig vor Augen haben, können sie die unmittelbare Befriedigung besser vergessen. Wenn sie in Versuchung geraten, ermutige sie, sich vorzustellen, wie sie sich fühlen werden, wenn sie den langfristigen Nutzen haben.
  • Bringe ihnen bei, ihre Fernziele in kleinere Ziele “auf dem Weg” aufzuteilen. Wenn sie ein Ziel nach dem anderen erreichen, werden sie dabei kleinere Belohnungen erhalten und in der Lage sein, weiter an ihrem großen Ziel zu arbeiten.
A child with ADHD escaping from a table during a therapy session.
Für Kinder mit ADHS oder anderen Erkrankungen fällt Impulskontrolle schwerer. Mit Anleitung und professioneller Hilfe können sie sich jedoch in diesem Bereich verbessern.

Training und Anleitung sind der Schlüssel

Belohnungsaufschub ist eine sehr nützliche Fähigkeit, die Kinder ihrem persönlichen, sozialen und schulischen Erfolg näher bringt. Eltern und Lehrer/innen können ihnen mit kleinen Tipps, Richtlinien und Übungen helfen, sie zu erlernen. Es gibt jedoch einige Kinder, für die das besonders schwierig sein kann, zum Beispiel Kinder mit ADHS. Deshalb kann es notwendig sein, sich an Fachleute zu wenden, welche die Techniken anleiten und die nötigen Hilfsmittel zur Verbesserung der Impulskontrolle bereitstellen.


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  • Dumontheil, I., Burgess, P. W., & Blakemore, S. J. (2008). Development of rostral prefrontal cortex and cognitive and behavioural disorders. Developmental Medicine & Child Neurology50(3), 168-181.
  • Mischel, W. (2014). The Marshmallow Test: Mastering self-control. Little, Brown and Co.

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.