Was sage ich zu einem Kind mit ADHS und was besser nicht?
Glücklicherweise hat sich unser Verständnis der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in letzter Zeit stark verbessert. Dennoch halten wir als Gesellschaft immer noch an einigen Mythen fest, die wir nicht nur für wahr halten, sondern auch an junge Kinder mit ADHS weitergeben. Die Worte, die wir zu einem Kind mit ADHS sagen, können sich auf sein Selbstwertgefühl auswirken und sein tägliches Funktionieren beeinträchtigen. Deshalb möchten wir dir einige Tipps geben, was du sagen und was du vermeiden solltest, wenn du mit kleinen Kindern mit ADHS sprichst.
Wir wissen, dass es nicht einfach ist, Eltern eines Kindes mit Entwicklungsstörungen zu sein, weil du manchmal nicht weißt, wie du reagieren oder wie du ihm helfen sollst. Und auch die eigenen Zukunftsängste spielen hier hinein. Aber Eltern können viel für das Wohlbefinden ihres Kindes tun, also schenke den folgenden Empfehlungen deine Aufmerksamkeit.
Was du nicht zu einem Kind mit ADHS sagen solltest
Lass uns mit einigen Sätzen und Ausdrücken beginnen, die du besser vermeiden solltest. Sie sind weit verbreitet und werden oft von den Menschen geäußert, die den Kindern am nächsten stehen. Auch wenn sie ohne böse Absicht, aus Unwissenheit oder weil manchmal der Geduldsfaden reißt, gesagt werden, können sie enormen emotionalen Schaden anrichten.
Das Kind in eine Schublade stecken
Es gibt viele Worte und Sätze, die das Kind auf die eine oder andere Weise in eine Schublade zu stecken. “Du bist dumm”, “du bist böse”, “du bist faul”, um nur einige zu nennen. Wenn wir das sagen, denken wir vielleicht, dass wir dem Kind helfen zu erkennen, was es falsch gemacht hat und dass es etwas besser machen sollte. Allerdings wertet man dadurch das Kind ab, weil man nicht auf ein bestimmtes Verhalten hinwirkt, sondern auf seine Person Einfluss nehmen.
Vermeide daher solche Sätze und entscheide dich für andere, konstruktivere, wie zum Beispiel die folgenden:
- “Du hast bei dieser Übung einen Fehler gemacht, lass ihn uns korrigieren”, statt “Du bist dumm”.
- “Es ist nicht gut, andere anzuschreien, weil das verletzend sein kann”, statt “Du bist böse”.
- “Du solltest deine Hausaufgaben vor dem Abendessen erledigt haben”, statt “Du bist faul”.
“Hör damit auf!”
Wie oft am Tag sagst du deinem Kind, dass es etwas tun oder nicht tun soll, obwohl du weißt, dass es bestimmte Schwierigkeiten hat? “Benimm dich nicht so”, “hör auf zu weinen”, “hör auf zu schreien”, “konzentriere dich jetzt”, “benimm dich”. Irgendwie denkst du vielleicht immer noch, dass dein Kind ein derartiges Verhalten an den Tag legt, um dich herauszufordern, dir den Respekt zu verweigern oder sich über dich lustig zu machen.
In Wirklichkeit wollen Kinder ihren Eltern gefallen, aber sie tun, was sie können, mit dem, was sie wissen und aufgrund ihrer Gefühlslage. Kinder mit ADHS sind von Natur aus unruhig, impulsiv und leicht ablenkbar, aber sie wollen dich nicht per se ärgern. Es macht also keinen Sinn, diese Vorwürfe ständig zu wiederholen, denn dadurch verschlechtert sich nur die Bindung und es entsteht eine negative Atmosphäre zu Hause.
“Das ist nur eine Ausrede!”
Deshalb betonen viele Eltern ihren Kindern gegenüber, dass ADHS kein Grund sei, nicht zu gehorchen, zu schreien oder die Hausaufgaben schlampig zu erledigen. Tatsächlich sollten wir uns aber darüber im Klaren sein, dass ihr Gehirn anders funktioniert und dass sie in bestimmten Bereichen zusätzliche Hilfe benötigen.
“Wenn du dich auf das konzentrieren kannst, was dir Spaß macht, dann kannst du dich auch auf alles andere konzentrieren!”
Für viele Eltern von Kindern mit ADHS ist es ärgerlich, wenn ihr Kind beim Lernen durch das Summen einer Fliege abgelenkt wird und trotzdem stundenlang vor einem Videospiel sitzen kann, ohne mit der Wimper zu zucken.
Sie könnten dann Sätze sagen wie “du konzentrierst dich nur, wenn du tun darfst, was du willst”. Ja, das ist in der Tat ein Merkmal der Störung, und Kinder mit ADHS können sich auf bestimmte Aktivitäten von Interesse hyperfokussieren, die auch ständige und vielfältige Verstärker haben (wie Bildschirme). Andere Dinge, wie z. B. Bücher, haben diese Eigenschaften nicht und motivieren sie daher nicht dazu, ihnen viel Aufmerksamkeit zu schenken.
Vermeide also solche Vorwürfe, denn auch hier gilt, dass das Kind es nicht absichtlich tut.
“Sag bloß niemandem, dass du ADHS hast!”
Aus Angst, dass unsere Kinder verurteilt, kritisiert oder gemobbt werden, bitten wir sie manchmal, diese Entwicklungsstörung zu verschweigen. Das führt allerdings dazu, dass sie ADHS als demütigend und peinlich empfinden und sich deshalb für ein “Mängelexemplar” halten.
Was sollten wir einem Kind mit ADHS sagen?
Was sollten wir also zu einem Kind mit ADHS sagen? Wie können wir ihm helfen? Hier sind einige Vorschläge, die du vielleicht hilfreich finden könntest:
“Ich verstehe, wie du dich fühlst.”
Anstatt dein Kind für seine Impulsivität, seine Wutanfälle oder Ausbrüche zu tadeln, solltest du seine Gefühle anerkennen. Das bedeutet, dass du dein Kind wissen lässt, dass alle Gefühle, die es gerade hat, in Ordnung sind und dass es das Recht hat, sie zu fühlen und auszudrücken (auch wenn du ihm dabei hilfst, dies auf angemessene Weise zu tun).
Wenn du zu einem Kind sagst “Ich verstehe, dass du wütend bist, dass du traurig bist, dass du nervös bist”, beruhigst du es und stellst eine bessere Verbindung zu ihm her. Kinder fühlen sich gesehen und begleitet, was ihre emotionale Krise lindert. Darüber hinaus hilfst du ihnen mit deinen Worten, ihre eigenen Gefühle zu verstehen, sie zu benennen und sie nach und nach zu integrieren.
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“Du machst das gut.”
Eine der weniger sichtbaren Folgen von ADHS ist die Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls. Diese Kinder wachsen mit ständiger Kritik auf, weil sie nicht das tun, was man von ihnen erwartet. Sie werden zurechtgewiesen und hören täglich, was sie alles falsch machen.
Um dieses ungesunde Verhaltensmuster zu durchbrechen, gewöhne dir an, die Leistungen und Qualitäten deines Kindes zu schätzen und anzuerkennen.
Erkenne zunächst seine Tugenden an: Vielleicht ist dein Kind sehr kreativ, lustig oder gut im Sport. Andererseits solltest du seine Bemühungen und seinen Lernprozess anerkennen, unabhängig vom Ergebnis. Auch wenn es eine Prüfung nicht bestanden hat, du aber gesehen hast, wie hart es dafür gearbeitet hat, solltest du ihm dazu gratulieren.
“Ich bin für dich da.”
Wenn sich dein Kind aufregt, von seinen Impulsen überwältigt oder von seinen Gefühlen überwältigt wird, braucht es deine Gelassenheit und Ruhe. Das ist das schönste Geschenk, das du ihm machen kannst, denn du bist seine emotionale Stütze in den schwierigsten Momenten.
Wenn Kinder also “unausstehlich” sind oder sich “daneben benehmen”, zähle bis 10, anstatt sie zu schimpfen, sie anzubrüllen oder zu bestrafen. Sag ihnen am besten den folgenden Satz: “Ich bin für dich da”.
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“Du schaffst das, ich helfe dir!”
Zu akzeptieren, dass ADHS eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich bringt, bedeutet nicht, sich damit abzufinden, dass das Kind nicht in der Lage sein wird, seine Ausbildung erfolgreich abzuschließen oder seine Ziele zu erreichen. Im Gegenteil, es bedeutet, die Zügel in die Hand zu nehmen und ihm die Unterstützung zu geben, die es braucht.
Versuche also, die Autonomie und das Selbstvertrauen deines Kindes zu fördern, erinnere es daran, dass es in der Lage ist, das zu erreichen, was es will, und gib ihm die Hilfe, die es braucht. In dieser Hinsicht sind Fachleute am besten in der Lage, eine adäquate Anleitung zu geben.
“Akzeptiere dich so, wie du bist, du bist sehr wertvoll.”
Anstatt von deinem Kind zu verlangen, dass es ADHS-Reaktionen versteckt, solltest du ganz natürlich damit umgehen. Wenn du mit den Lehrer:innen darüber sprichst, können sie den Lehrplan anpassen. Für Gleichaltrige ist es eine großartige Möglichkeit, Vielfalt zu normalisieren und andere so zu akzeptieren, wie sie sind.
Wenn ein Kind seine Diagnose kennt und weiß, worum es geht (immer in altersgerechter Sprache erklärt), kann es auch verstehen, sich selbst den Rücken stärken und muss nicht mit Schuld oder Scham in puncto ADHS leben.
Worte definieren uns, benutze sie weise!
Kurz gesagt: Wenn du dich fragst, was du zu einem Kind mit ADHS sagen sollst, achte darauf, dass deine Worte auf Verständnis, Einfühlungsvermögen, den Aufbau von Selbstwertgefühl und die Natürlichkeit der Schwierigkeiten ausgerichtet sind. Wenn ein Kind in einer Familie aufwächst, die ihm vertraut, es unterstützt und seine Leistungen anerkennt, wird dies einen großen Unterschied bewirken.
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- Harpin, V., Mazzone, L., Raynaud, J. P., Kahle, J., & Hodgkins, P. (2016). Long-term outcomes of ADHD: a systematic review of self-esteem and social function. Journal of attention disorders, 20(4), 295-305.
- Kimball, H. (2021, 19 agosto). Hyperfocus: The Flip Side of ADHD? Child Mind Institute. https://childmind.org/article/hyperfocus-the-flip-side-of-adhd/