Unterschiede zwischen Kinder- und Jugenderziehung

Es gibt Unterschiede in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, angefangen von Autonomie bis hin zu den Interessen. Erfahre mehr in diesem Artikel!
Unterschiede zwischen Kinder- und Jugenderziehung
Maria Fátima Seppi Vinuales

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Maria Fátima Seppi Vinuales.

Letzte Aktualisierung: 05. Juli 2024

Kindheit und Jugend stellen eigene Herausforderungen an die Erziehung. Das Bedürfnis eines Kindes nach Nähe zu seinen Eltern ist ganz anders und manchmal sogar gegensätzlich zu dem eines Jugendlichen. Im folgenden Artikel erfährst du mehr über die Unterschiede in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen.

Über die Gehirne von Kindern und Jugendlichen

In seinem Buch Kluge Köpfchen weist der bekannte Neuropsychologe Álvaro Bilbao auf die Tatsache hin, dass wir drei Arten von Gehirnen haben, von denen jedes seine eigenen Eigenschaften hat und seinen eigenen Beitrag leistet. Diese sind:

  1. Das Reptiliengehirn: Es ist das primitivste Gehirn und befähigt uns, um unser Überleben zu kämpfen.
  2. Das emotionale Gehirn: Es hilft uns, angenehme Gefühle (Nahrungsaufnahme, Zusammensein mit Menschen, bei denen wir uns geborgen und geliebt fühlen) zu suchen und herbeizuführen. Es wird dagegen aktiv, um unangenehme Gefühle (Gefahren, Bedrohungen und beängstigende Situationen) zu vermeiden. Es ermöglicht uns auch, diese Gefühle voneinander zu unterscheiden.
  3. Das rationale Gehirn: Dieses Gehirn unterscheidet den Menschen von anderen Lebewesen. Es ermöglicht uns Menschen, uns unserer selbst bewusst zu sein, uns mitzuteilen, uns in andere hineinzuversetzen, Entscheidungen zu treffen, uns selbst zu organisieren und logisch zu denken, um nur einige Funktionen zu nennen.

Wie der Neurowissenschaftler Daniel J. Siegel und die Erziehungswissenschaftlerin Tina Payne Bryson, MD in ihrem Buch “The Whole-Brain Child” schreiben, besteht die Herausforderung bei Kindern darin, die drei Gehirne zu integrieren. Eltern sollten den Nachwuchs in diesem Prozess begleiten, der Kinder dazu bringt, alle drei Gehirne zu benutzen. Der Grund dafür ist, dass Kinder in jungen Jahren noch vorwiegend das Reptiliengehirn und das emotionale Gehirn benutzen.

Bei Jugendlichen ist zu beachten, dass sie bereits Normen, Regeln des Zusammenlebens und Grenzen entwickelt und gelernt haben. Mit anderen Worten, sie sind bereits “voll entwickelt”, wie es Siegel und Payne Bryson ausdrücken. Die Jugend ist aber auch eine herausfordernde Phase, in der Teenager neue Wege gehen und beginnen, ihre Autonomie auszuüben. In dieser Phase geraten sie oft in Konflikt mit ihren Eltern, da sie ihre eigene Identität ausbilden müssen.

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Unterschiede zwischen Kinder- und Jugenderziehung
Obwohl es Gemeinsamkeiten mit Kindern gibt, leben Jugendliche beispielsweise auch mit emotionaler Intensität. Sie haben bereits andere Ressourcen, um zu verstehen, was mit ihnen geschieht und eignen sich kontinuierlich neue an.

Welche Unterschiede gibt es zwischen der Erziehung eines Kindes und der eines Jugendlichen?

Einige der Unterschiede, die wir feststellen können, sind die folgenden:

Das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ist unterschiedlich

Die Erfahrung der Eltern zeigt, dass Kinder viel Aufmerksamkeit für ziemlich vorhersehbare und sich wiederholende Tätigkeiten brauchen. Zum Beispiel bei der Körperpflege (Windeln wechseln, Zähne putzen), beim Füttern und Spielen, um nur einige zu nennen. Außerdem brauchen sie Nähe, Körperkontakt und Zuneigung.

Jugendliche hingegen sind selbständiger und brauchen die Hilfe der Erwachsenen bei den oben genannten Tätigkeiten nicht mehr. Sie brauchen allerdings Erwachsene, die aufmerksam sind und auf bestimmte Anzeichen achten. Dazu gehören unter anderem erste sexuelle Erfahrungen, der Umgang mit Substanzen wie Alkohol oder Drogen oder die Nutzung von Internet und Social Media.

Das heißt nicht, dass Jugendliche keine Zuneigung brauchen. Die Erziehung junger Menschen erfordert jedoch ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz. Mit anderen Worten: Sei dem Jugendlichen nahe als Erwachsener, sei aber dabei nicht aufdringlich.

Interessen und Sorgen

Es ist klar, dass sich unser Gehirn in jeder Lebensphase verändert und wir unseren Erfahrungshorizont erweitern. Deshalb ziehen einige Dinge unsere Aufmerksamkeit mehr auf sich als andere, während wir von vielen anderen eher “ernüchtert” sind.

Zum Beispiel kann man erwarten, dass Kinder zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr Angst und Schrecken empfinden, wenn sie von ihren Eltern getrennt werden. Bei Jugendlichen wird dies in seltenen Fällen der Fall sein, z.B. wenn sie wegen einer Operation oder einer langen Reise von ihren Eltern getrennt sind.

Bei Teenagern kann es häufig vorkommen, dass sie sich Gedanken über ihr Aussehen, ihr Körperbild oder darüber machen, was ihre Freund:innen von ihnen denken. Außerdem tauchen existenzielle Fragen auf, z.B. Wer bin ich und was mache ich in dieser Welt?

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Vorbilder

Wenn Kinder klein sind, sind ihre Bezugspersonen die Familie und nahe Erwachsene. Diese Gruppe erweitert sich, insbesondere wenn das Kind beginnt, andere Orte wie den Kindergarten oder die Schule zu besuchen.

In der Adoleszenz findet die “Ent-Idealisierung” der Eltern statt: Das heißt, die Eltern werden zu realen Menschen aus Fleisch und Blut, mit all ihren Fehlern und Tugenden. Die Gleichaltrigengruppe, die Peer Group wird nun zur wichtigsten Vertrauens- und Bezugsperson der Jugendlichen. In dieser Phase beginnen die Jugendlichen, mehr Zeit mit Freund:innen als mit der Familie zu verbringen und häufiger von zu Hause wegzugehen.

Unterschiede zwischen Kinder- und Jugenderziehung

Einige Empfehlungen für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen

Abgesehen von den Unterschieden gibt es unter den wichtigen Aspekten, die wir berücksichtigen können, um die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu begleiten, die folgenden:

  • Grenzen setzen. Bei Kindern bedeutet das, ihnen zu erklären, warum es wichtig ist, sich an bestimmte Regeln zu halten (z.B. um sie zu schützen oder Schmerzen zu vermeiden). Bei Jugendlichen ist das “Ja” und “Nein” schon klarer. Aber wir müssen diese Antworten flexibler gestalten und neue Regeln aushandeln, wie z.B. Zeitpläne, Ausflüge und die Erlaubnis oder das Verbot, bestimmte Dinge zu tun.
  • Wir sollten empfänglich und offen sein, zuhören und präsent sein. Bei Jugendlichen ist es wichtig, dass wir auf sie zugehen, uns für ihre Aktivitäten interessieren und sie fragen, wie es ihnen geht, auch wenn sie “auf Abstand gehen”.
  • Ein Vorbild sein: Minderjährige beobachten stets, wie wir Erwachsene uns verhalten und was wir sagen und tun.

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Gib deinem Kind das, was es in seiner jeweiligen Lebensphase braucht

Für eine respektvolle Erziehung ist es wichtig, die Besonderheiten und Unterschiede der einzelnen Lebensphasen zu kennen. Andernfalls laufen wir Gefahr, Prozesse zu beschleunigen, Druck auszuüben und uns nicht die Zeit zu nehmen, die für jeden Lernprozess notwendig ist.

Wenn wir den Unterschied zwischen der Erziehung eines Kindes und der eines Jugendlichen verstehen, können wir angemessener und einfühlsamer reagieren. Und wir können bessere Strategien wählen. Es geht nicht darum, zu vergleichen, ob die Erziehung eines Kindes besser oder schlechter ist als die Erziehung eines Jugendlichen. Sie ist einfach nur anders.

Und schließlich dürfen wir uns nicht zu der Annahme verleiten lassen, dass Heranwachsende uns als Eltern oder als Erwachsene nicht mehr brauchen. Zuneigung und Zuwendung sollten immer da sein, aber die Bedürfnisse von Kindern ändern sich und entwickeln sich weiter, genauso wie sich Menschen und Beziehungen verändern.


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  • Bilbao, Alvaro (2015) El cerebro del niño explicado a los padres.Plataforma Actual.
  • Siegel D. y Payne Bryson T. (2020). El cerebro del niño. Alba Editorial.

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