Das Fan-Phänomen bei Jugendlichen

Der "Fan-Tick" von Teenagern hilft Jugendlichen, Kontakte zu knüpfen und Spaß zu haben, birgt aber auch Risiken. Mehr dazu im folgenden Artikel.
Das Fan-Phänomen bei Jugendlichen
Elena Sanz Martín

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz Martín.

Letzte Aktualisierung: 25. März 2024

Kannst du dich noch an den Sänger oder die Schauspielerin erinnern, die du in deiner Jugend so bewundert hast? Wahrscheinlich hast du jeden seiner/ihrer Schritte verfolgt. Du kanntest all ihre Werke, wusstest über ihren Geschmack Bescheid, hast jedes Interview gesehen und jeden Zeitschriftenartikel über sie gelesen. Das Fan-Phänomen unter Jugendlichen ist nicht neu und wird von Jugendlichen aller Generationen erlebt.

Heute, dank des Internets und der sozialen Netzwerke, ist die “Beziehung” zu diesen Berühmtheiten eine andere. Die Teenager folgen ihnen in Echtzeit. Sie entwickeln sogar eine Art Kommunikation mit ihnen. Das nährt eine Fantasie, die in dieser Lebensphase zwar natürlich und üblich ist, die aber auch gefährlich werden kann. Wir erklären, warum.

Was ist das Fan-Phänomen bei Jugendlichen?

Es ist normal, dass Kinder und Jugendliche Bewunderung, Sympathie oder Zuneigung für Sportler:innen, Influencer:innen im Internet oder Musikgruppen empfinden. Das Fan-Phänomen hat jedoch eine andere Bedeutung, da das Gefühl viel intensiver ist und häufig an Besessenheit grenzen kann.

Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine Art “Fan-Tick”, bei dem diese berühmten Personen nicht mehr nur der Unterhaltung dienen, sondern zum Mittelpunkt des Lebens der Jugendlichen werden.

Die Jugendlichen nehmen diese Personen als Maßstab und Vorbild. Von ihnen übernehmen sie Aspekte wie Ästhetik und Kleidung, Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen. Die Bewunderung für ihre Idole verwandelt sich in eine Hingabe, die sie daran hindert, das, was sie sehen und hören, objektiv zu betrachten.

Die wichtigsten Merkmale

Das Fan-Phänomen bei Jugendlichen weist einige besondere Merkmale auf. Die folgenden sind einige der häufigsten und können für Erwachsene der Schlüssel sein, um zu verstehen, dass sich dieser “Fan-Tick” eine neue Ebene erreicht.

Der/die Jugendliche idealisiert die Person, von der er/sie ein Fan ist.

Teenager nehmen nur ihre positiven Eigenschaften wahr und loben sie “über den grünen Klee”, während sie mögliche Schwächen oder Verbesserungspotenziale übersehen. Sie haben das Gefühl, dass diese Person außergewöhnlich und wunderbar ist.

Jugendliche ermutigen andere dazu, auch Fans dieser Person zu werden.

Und wenn jemand das Objekt ihrer Bewunderung kritisiert, verteidigen Jugendliche diese Person ganz offen, weil sie diesen Kommentar als Kritik an sich selbst empfinden. Dies könnte als Warnzeichen interpretiert werden. In Wirklichkeit deutet diese Überreaktion auf eine ungesunde emotionale Abhängigkeit oder eine extreme Idealisierung der betreffenden Person hin.

Man versucht, den Prominenten so ähnlich wie möglich zu sein.

Das heißt, Teenager ahmen das Aussehen, die Sprechweise und das Verhalten ihrer Stars nach. Es ist auch wahrscheinlich, dass sie im gleichen Bereich wie diese Person erfolgreich sein wollen. Auch wenn es natürlich ist, sich von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens inspirieren zu lassen und nach Erfolg zu streben, ist es wichtig, die eigene Identität und Originalität zu bewahren. Der Versuch, jemanden vollständig zu kopieren, kann dazu führen, dass man die eigene einzigartige Stimme und Perspektive verliert.

Sie wissen alles über das Leben dieser Person

Sie suchen und nutzen alle möglichen Quellen (soziale Netzwerke, Foren, Zeitschriften, Dokumentationen usw.), um dieses Ziel zu erreichen. Jugendliche sind auch sehr aktiv in Fanclubs oder Fangruppen, die ihre Leidenschaft oder Bewunderung für ihr Idol teilen.

Sie versuchen, eine möglichst enge Beziehung zu ihrem Idol aufzubauen

Dies kann dazu führen, dass sie alle seine/ihre Konzerte oder Spiele besuchen, mit all seinen/ihren Veröffentlichungen in den sozialen Medien interagieren oder versuchen, über Direktnachrichten auf einer Social-Media-Plattform eine Konversation aufzubauen.

Warum gibt es das Fan-Phänomen bei Jugendlichen?

Das Fan-Phänomen tritt in jeder Lebensphase auf. Besonders häufig tritt es jedoch im Jugendalter auf, da diese Phase von der Suche nach der eigenen Identität geprägt ist. Und bei dieser Identitätssuche muss sich der Jugendliche mit anderen Menschen, die er bewundert, identifizieren.

Während in der Kindheit die Eltern die wichtigsten Bezugspersonen sind, sind es in der Jugend die Idole, denen man nacheifert. Das Fan-Phänomen ist in gewisser Weise ein kollektiver Prozess der Selbstwerdung. Und zwar nicht nur wegen der Bewunderung für eine bestimmte Figur, sondern auch wegen der Interaktion, die in Gemeinschaften oder Fandoms entsteht.

Laut dem Artikel in der Fachpublikation Persona Studies mit dem Titel Teenagers, fandom and identity wird die subjektive Identität von Jugendlichen in Bezug auf Emotionen und Gefühle durch die Gruppe von Gleichgesinnten unterstützt, was den Aufbau einer sozialen und kulturellen Identität fördert.

Hat das Fan-Phänomen Folgen?

Das Fan-Phänomen bei Jugendlichen ist an sich nichts Negatives. Im Gegenteil, es ist ganz natürlich, dass Jugendliche diese Vorliebe oder eine Identifikation mit Prominenten entwickeln. Problematisch wird es, wenn diese Bewunderung in absolute Hingabe umschlägt und zu leidenschaftlichem, irrationalem und chaotischem Verhalten führt. Oder wenn der “Fan-Tick” dazu führt, dass der/die Jugendliche die Kontrolle über sein/ihr Leben verliert.

Einige Schwierigkeiten oder negative Folgen, die in diesem Zusammenhang auftreten könnten, sind folgende:

Die Jugendlichen übernehmen “unangemessene” Haltungen

Das Idol wird als Maßstab genommen. Zum Beispiel kann das zu der Übernahme einer vulgären Ausdrucksweise führen oder der Beginn des Konsums von Alkohol, Tabak oder anderen Substanzen sein, weil man seinem Idol nacheifern möchte.

Die Realität aus den Augen verlieren

Es wird vergessen, dass die Person des öffentlichen Lebens eine Rolle spielt oder einen kleinen (verzerrten) Teil von sich selbst zeigt. Der Versuch, sich in diese Person hineinzuversetzen, ist nicht realistisch, und viele Personen in den sozialen Medien der Generation Z fördern Gewohnheiten oder Einstellungen, die nicht für jede/n empfehlenswert sind.

Die persönlichen Pflichten vernachlässigen

Jugendliche können ihre täglichen Verpflichtungen und Aktivitäten vernachlässigen, nur um sich der fanatischen Leidenschaft hinzugeben. Sie vernachlässigen ihr Studium oder verlieren Freundschaften, weil sie nur noch diesen Berühmtheiten Aufmerksamkeit schenken. Wenn das passiert, wirst du als Elternteil merken, dass der “Fan-Tick” deines Sohnes oder deiner Tochter nicht mehr gesund ist.

Teenager entwickeln eine parasoziale Beziehung zu dem Prominenten

Der Jugendliche hat vielleicht das Gefühl, eine echte Freundschaft mit der berühmten Person zu haben. Laut einem Artikel, der in der Fachzeitschrift The Journal of Genetic Psychology veröffentlicht wurde, kann dies jedem/r Jugendlichen passieren. Aber es kommt häufiger bei denen vor, die eine vermeidende oder eine ängstliche Bindung haben.

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Das Fan-Phänomen frühzeitig ansprechen

Wenn du als Elternteil bemerkst, dass dein Kind zum Fan eines Sängers/einer Sängerin, einer Sportmannschaft oder einer Person des öffentlichen Lebens geworden ist, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es ist jedoch eine gute Idee, diese Bewunderung im Auge zu behalten und zu begleiten, damit sie sich nicht über Gebühr “auswächst”.

Versuche also, dich für die Vorlieben deiner Kinder zu interessieren, höre ihnen zu und teile sie bis zu einem gewissen Grad, damit du weißt, ob sie ein gutes oder schlechtes Vorbild sind. Hilf deinem Teenager auch, die Objektivität nicht zu verlieren, indem du ihn oder sie daran erinnerst, dass die Medienlandschaft nicht immer durchschaubar ist und dass Menschen mehr sind als nur das, was sie in der Öffentlichkeit zeigen.

Ermutige deine Teenager vor allem, die eigene Persönlichkeit und die eigenen Kriterien zu entwickeln und nicht mit dem Image oder der Persönlichkeit anderer zu verschmelzen. Wenn du merkst, dass dieser “Fan-Tick” Schwierigkeiten verursacht oder dass die Ausbildung oder die sozialen Beziehungen beeinträchtigt werden, zögere nicht, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.


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